Viele Ehen oder Langzeitbeziehungen leben nach einigen Jahren entweder völlig ohne gemeinsame Sexualität oder mit gravierenden Defiziten. Nach Außen hin wird der Schein aufrechterhalten, denn wer sich outet gilt als minderwertig. Man hat schließlich Sex zu haben! Betroffene Paare, die meine Beratung aufsuchen, betonen oft, dass niemand im Bekanntenkreis so etwas von ihnen denken würde, sie gelten sogar als das Vorzeigepaar.
Gerade Partner, die sehr eng miteinander verbunden sind, alles zusammen unternehmen und keine Geheimnisse vor einander haben, leiden unter fehlender Sexualität. In dieser symbiotischen Beziehung können sie ihren Partner nicht mehr als Gegenüber wahrnehmen, sondern leben in einer Dauerverschmelzung. Um eine erotische Spannung aufzubauen müssen sich aber zwei unterschiedliche Menschen gegenüberstehen und als von einander getrennt erleben.
Auch ein Kind kann eine Partnerschaft nachhaltig verändern. Das ehemalige Liebespaar wird zum Elternpaar und die Paarbeziehung bleibt dabei auf der Strecke. Der Sprössling steht im Mittelpunkt und die Zweisamkeit wird nicht mehr gepflegt. Diesen Zustand hält auch eine tragfähige Partnerschaft nur begrenzte Zeit aus. Die gemeinsame Sexualität verblasst so nach und nach. Das Kind erhält dafür um so mehr Zuwendung. Im ersten Lebensjahr eines Kindes gilt es als nichts Ungewöhnliches, wenn eine Frau wenig Interesse an Sex zeigt. Sie ist sehr eng mit ihrem Kind verbunden und ihr Körper schaltet deshalb vorübergehend auf „Brutpflege“ um. Hält dieser Zustand allerdings weit über die Säuglingszeit hinweg an, sollte professionelle Hilfe aufgesucht werden.
Im Laufe einer Beziehung kann ein Partner ernsthaft erkranken. Die gemeinsame Bewältigung dieser schweren Zeit schweißt die Beiden noch viel mehr zusammen. Leider kann es auch nach der Genesung vorkommen, dass der gesunde Partner den ehemals Kranken noch weiterhin als pflegebedürftig wahrnimmt und seine sexuellen Bedürfnisse nicht mehr an ihn richtet. Es kann einige Zeit andauern, bis er seinen Gefährten wieder mit anderen Augen sieht. Trifft das nicht mehr zu, kann eine Paar- oder Einzeltherapie Abhilfe schaffen.
Der sexuelle Rückzug eines Partners, der in manchen Fällen als generelle Lustlosigkeit deklariert wird, kann aber auch ganz andere Hintergründe haben. Ein Partner erlebt den Anderen als sexuell sehr anspruchsvoll und gerät deshalb bei jedem erotischen Kontakt miteinander unter Leistungsdruck. Um sich diesen zu ersparen behauptet er (oder sie) überhaupt keine Libido mehr zu verspüren. Manchmal stellt Derjenige seine eigene Sexualität tatsächlich ab, in den meisten Fällen befriedigt er sich aber lieber selbst. Männer mit Hilfe des Internets, Frauen eher durch erotische Literatur. Ein männlicher Klient bezeichnete die Selbstbefriedigung sogar als: „sauber, effektiv und stressfrei“. Alles Andere scheint besser zu sein als unangenehme Gespräche mit dem Partner über unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse.