Liebe und Attraktivität

Ein Tabuthema sogar in der Paartherapie

In vielen Köpfen kursiert immer noch die romantische Vorstellung, dass in der Liebe keine Grenzen existieren sollten: das Aussehen, das Alter, die Herkunft, die Bildung und der Status dürfen keine Rolle spielen. Bei der Partnerwahl sieht es allerdings ganz anders aus. Der erste Eindruck ist überwiegend vom Äußeren geprägt und entscheidend dafür, ob der Andere und man selbst überhaupt in die nächste Runde kommt. Das Aussehen ist sozusagen die Eintrittskarte.

Die ausgeglichene Attraktivität

Bei den weiterführenden Kontakten geschieht dann das bewusste aber teilweise auch unbewusste weitere gegenseitige Abklopfen und falls die Chemie stimmt, verliebt man sich ineinander. In dieser Anfangsphase passt die Attraktivität der Partner noch zusammen, oder falls nicht, wird sie auf einer Seite durch andere Faktoren ausgeglichen. In diesen Fällen kann der Mann sein höheres Alter oder seine mangelnde Attraktivität durch seinen höheren Status ausgleichen. Leider funktioniert so etwas bei Frauen eher nicht. Das mag an archaischen Instinkten der Menschen liegen.

Die uneingestandene Unzufriedenheit

Verändert sich im Laufe einer Partnerschaft diese bisher ausgeglichene Attraktivität, so entsteht eine Unzufriedenheit auf der Seite des besser aussehenden Partners. Dies wird aber häufig nicht direkt kommuniziert. Anfangs schämt sich der unzufriedene Partner noch und findet sich oberflächlich, später thematisiert er (oder sie) es vielleicht vorsichtig und stößt damit auf wenig Entgegenkommen. Mit der Zeit leidet dann die körperliche Anziehung, weil man schließlich mit dem Körper Sex hat und nicht mit dem schönen Geist oder der Intelligenz des Anderen.

Die Tabuisierung selbst in der Paartherapie

Sobald ein Paar über einen längeren Zeitraum keine, oder nur eine sehr eingeschränkte Sexualität miteinander lebt, entscheiden sie sich zur Paartherapie. Hier erfahre ich erst einmal alle möglichen Gründe, warum sie nicht mehr miteinander schlafen. Das Thema körperliche Zufriedenheit mit sich und dem Partner muss ich sehr vorsichtig ansprechen. Selbst dann wird es häufig zuerst als nicht relevant abgetan. Die Angst den Anderen zu verletzen, oder als oberflächlich und körperfixiert zu gelten ist einfach zu groß.

Die mangelnde Selbsteinschätzung

Als Paartherapeutin überrascht mich gelegentlich die optische Ungleichheit mancher Paare. Auf meine Frage, wie sich jeder der Beiden in seinem eigenen Körper fühlt, antworten die meisten (selbst stark übergewichtige oder auch ansonsten weniger attraktive) Männer mit einem: „ganz ok.“, während sogar die attraktivsten und schlankesten Frauen mit sich unzufrieden sind. Insgesamt gewinne ich den Eindruck, dass es sich bei einigen Menschen um eine Körperschemastörung handelt, sie also ihren eigenen Körper nicht realistisch einschätzen können.

Prägungen und Wünsche

Im Laufe der Paartherapie kommen dann auch die körperlichen Prägungen zur Sprache. Das Vorbild der Eltern spielt hier eine nicht unerhebliche Rolle. Wie war der Körper in der Herkunftsfamilie besetzt und inwieweit wurde alles Körperliche und auch die Sexualität tabuisiert. Zunehmend stellt sich dann auch die Frage, ob man sich selbst und seinem Partner eingestehen darf, was man sich von ihm in Bezug auf körperliche Attraktivität überhaupt wünscht. Hier besteht natürlich ein großer Unterschied zwischen dem Wunsch und der Forderung.

Bleibt ein großer Abstand zwischen den Partnern beim körperlichen Erscheinungsbild bestehen und einer der Beiden ist damit dauerhaft unzufrieden, so führt das in den meisten Fällen zu einer Trennung.