Toxische Beziehungen gab es schon immer. Sie belasteten nicht nur die Partner, sondern auch das Umfeld, das bisher wenigstens Ausweichmöglichkeiten bot. Seit der Existenz von Covid 19 verringern sich aber die Außenkontakte und das Paar ist mehr auf sich gestellt. Die psychische Belastungsgrenze, die schon vor Corona erreicht war, ist jetzt bei vielen Paaren überschritten. Dieser Leidensdruck führt zu gehäuften, längst überfälligen Trennungen.
Was ist eine “toxische Beziehung”?
Eine toxische Beziehung ist eine Beziehung, die sich in Extremen bewegt. Die wenigen positiven Momente werden verklärt und die überwiegende Zeit der tiefen Täler wird als Ausdruck der großen Liebe, die sich eben auch durch intensives Leid auszeichnet, erlebt. Die Kräfteverteilung in diesen Partnerschaften ist sehr ungleich. Meistens handelt es sich bei einer toxischen Beziehung um eine Partnerschaft zwischen einer Person mit einer narzisstischen oder einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer meist weiblichen Partnerin, die aus unterschiedlichen Gründen den gefühlt schwächeren Part einnimmt.
Das Gefährliche an dieser Beziehung ist das Schaffen von Abhängigkeiten. Bei dem Partner/der Partnerin, der/die nicht an einer narzisstischen oder einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leidet, entsteht zunehmend die Vorstellung ohne den Anderen nicht mehr existieren zu können. Diese gefühlte Abhängigkeit lässt den sowieso schon schwächeren Partner regelmäßig verzweifeln, wenn er nach kurzen, aber hoffnungsvollen entspannten Phasen, vom Anderen wieder abgewertet, oder links liegen gelassen und herzlos von oben herab behandelt wird. Diese Verzweiflung kann zu Depressionen und zum Suizid führen.
Wer ist für eine toxische Beziehung anfällig?
Es nehmen meistens Frauen den schwächeren Part in diesen Beziehungen ein. Von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (PS) und der paranoiden PS Betroffene, die als Täter in dieser Konstellation gelten, sind es statistisch öfter Männer als Frauen.
Menschen mit geringerem Selbstwertgefühl, frisch Getrennte, oder Langzeitsingles, Personen die sich in einer Krise befinden, sich depressiv fühlen, oder Angst vor dem Alleine sein haben, können zumindest zeitweise, in eine abhängige Beziehung geraten. Vor Allem deshalb, weil der narzisstische Partner in der Werbungsphase charismatisch und einfühlsam auftritt, was er allerdings nicht lange durchhält. Der Partner mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung verhält sich zunächst unauffällig. Die anfangs rosarote Brille überdeckt viele Beziehungsschwächen.
Führt eine toxische Beziehung unweigerlich zu einer Trennung?
Es ist kaum möglich toxische Beziehungen auf Dauer erträglich zu gestalten. Narzisstische Persönlichkeitsstörungen sind nicht heilbar, können aber durch gezielte psychotherapeutische Hilfe etwas abgeschwächt werden. Die Psychotherapie arbeitet an einer realistischeren Selbstwahrnehmung und an den Fähigkeiten den Partner und das Umfeld mit deren Bedürfnissen ein Stück weit wahrzunehmen. Die Größenfantasien, die fehlende Selbstkritik des Narzissten und die permanente Abwertungen der Anderen verhindert aber meistens eine wirksame Psychotherapie.
Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung, die neben der narzisstischen PS auch als Täter in einer toxischen Beziehung gelten, sind sehr schwer zu therapieren, weil sie ihre Umwelt und den Therapeuten als feindselig wahrnehmen und kein Vertrauen aufbauen können.
Für Partner/innen von Menschen mit einer dieser beiden Persönlichkeitsstörungen ist es fast unmöglich den Anderen zu einer Therapie zu bewegen, da beide Formen weder zur Selbstkritik noch zur Empathie fähig sind. Ein Paar, das sich in einer toxischen Beziehung befindet, müsste um überhaupt eine Chance auf Besserung zu haben, sich jeder einer Einzelpsychotherapie unterziehen, und zusätzlich gemeinsam eine Paartherapie machen. Ohne professionelle Hilfe bleiben diese Partnerschaften extrem kräftezehrend.
Woran erkenne ich, dass ich mich in einer toxischen Beziehung befinde?
Diejenigen, die sich in einer toxischen Beziehung befinden, idealisieren den Partner / die Partnerin, erleben sich selbst dagegen minderwertig, nehmen Verhaltensweisen des Partners / der Partnerin hin, die eigentlich inakzeptabel sind und verteidigen sie / ihn dem Umfeld gegenüber. Sie verwechseln tiefes Leid mit intensiver Liebe, fühlen sich durch die Beziehung eher geschwächt als gestärkt, leiden an Verlustängsten, ordnen sich immer mehr unter und zweifeln an ihrer eigenen Wahrnehmung. Der dominantere Partner in der Beziehung hingegen empfindet den Anderen / die Andere als nicht gleichwertig und versucht sie / ihn ständig zu beherrschen. Sein / ihr Leidensdruck in dieser Beziehung ist nicht vergleichbar mit dem des / der Unterlegenen.
Wie kann man sich aus einer toxischen Partnerschaft befreien?
Diese Menschen brauchen die Erkenntnis, dass es keine Hoffnung auf Besserung in dieser Beziehung gibt. Sie haben bis zur endgültigen Trennung schon einige Anläufe unternommen und sind immer wieder zurückgekehrt. Man darf nicht außer acht lassen, dass es sich hier um eine Abhängigkeit, ja fast eine Sucht handelt und sich die / der Betroffene sogar für diese Beziehung schämt und deshalb besonders peinliche Begebenheiten für sich behält. Meist gelingt eine Trennung erst, nachdem der Leidensdruck sich bis ins Unerträgliche gesteigert hat. Deshalb benötigen die Betroffenen auch Fluchthelfer um sich aus dieser Beziehung für immer zu befreien. Dies können Freunde, Familienangehörige oder Therapeuten sein.
Wie schützt man sich vor einer weiteren toxischen Beziehung?
Eine toxische Beziehung hinterlässt tiefe Narben und sollte deshalb möglichst mit psychotherapeutischer Unterstützung aufgearbeitet werden. Dabei spielen ein realistisches Selbstbild, der Selbstwert, die eigenen Grenzen und häufig auch noch die eigene Kindheit eine wesentliche Rolle.
Sobald die / der Betroffene sich nicht mehr nur als Opfer sieht und die Verantwortung für sich selbst übernimmt, ist ein großer Teil der Heilung vollzogen.
Gute Freunde, die während der Beziehung in den Hintergrund traten, könnten gebeten werden zu möglichen zukünftigen Partnern ihre ehrliche Meinung abzugeben. So verlockend eine neue Liebe aber sein mag, so sollte sie doch so lange zurückgestellt werden bis eine klare Sicht auf die vergangene Beziehung und die eigene Beteiligung daran möglich ist.
Die narzisstischen Persönlichkeitsstörung auf einen Blick
Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wirken auf den ersten Blick charismatisch, schillernd, unterhaltsam und sind deshalb in Gesellschaft gerne gesehen. Sie stehen selbstverständlich im Mittelpunkt. Bei näherem Hinsehen und vor Allem in der Partnerschaft fallen dann die Größenfantasien, das Übertreiben der eigenen Leistungen und das Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung auf. Das alles wäre vielleicht noch erträglich, aber der Mangel an Empathie, die fehlende Selbstkritik, das arrogante und hochmütige Verhalten gepaart mit der Abwertung des Partners erschweren jede Beziehung. Dazu kommen noch der häufige Neid auf Andere, die Anspruchshaltung der automatischen Erfüllung der eigenen Erwartungen und das Ausnutzen von zwischenmenschlichen Beziehungen für eigene Zwecke.
Merkmale einer paranoiden Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung wirken anfangs extrem sensibel, verletzlich und misstrauisch, was beim Gegenüber Beschützerinstinkte verursachen kann. Später fällt vor Allem ihr streitsüchtiges Verhalten mit dem Beharren auf den eigenen Rechten auf, sowie das ständige Verdrehen von Tatsachen und dem Umdeuten von neutralen oder freundlichen Handlungen in feindliche. Hinter normalen Ereignissen werden Verschwörungen vermutet. Der Partnerin / dem Partner wird ungerechtfertigt Untreue unterstellt, was sich in extreme Eifersucht steigern kann. Zu dem kommt noch eine ständige Selbstbezogenheit, eine starke Überheblichkeit und ein dauerhaft nachtragendes Verhalten. Menschen mit einer ausgeprägten paranoiden Persönlichkeitsstörung können der Partnerin / dem Partner nicht vertrauen und verhalten sich ihr / ihm gegenüber dauerhaft feindselig. Eine langfristige Beziehung wird dadurch verhindert, sofern sie nicht auf einen Partner mit extremen Selbstzweifeln treffen.